Bern, 27. Juni 2024
Um ihr Energiesystem möglichst ohne fossile Energieträger betreiben zu können, setzen die Schweiz und viele andere Länder weltweit auf Strom aus erneuerbaren Energien. Die Herstellung von Solarpanels, Windturbinen, Batterien (etwa in E-Autos) und Materialien für die Erneuerung des Stromnetzes benötigt zahlreiche Rohstoffe, vor allem Metalle wie Lithium, Cobalt oder Nickel und seltene Erden. Diese Rohstoffe werden nur in wenigen Ländern gefördert. China hat bei vielen Rohstoffen und Bauteilen gar praktisch ein Monopol. So ist die EU bei der Photovoltaik fast vollständig von Rohstoffen oder Bauteilen aus China abhängig.
Die Schweiz importiert zwar hauptsächlich Bauteile und fertige Produkte und bei der Photovoltaik stammen über die Hälfte der Komponenten aus Europa. Trotzdem wäre sie im Falle von globalen Lieferengpässen bei Rohstoffen oder Materialien oder geopolitischen Handelseinschränkungen indirekt betroffen. Durch Abkommen und Förderprogramme entlang der Lieferkette – in Abstimmung mit der EU und anderen Partnern – kann deshalb die Versorgungssicherheit erhöht werden.
Die Forschenden betonen im Bericht, dass sich bei den erneuerbaren Energien die Abhängigkeit vom Ausland im Vergleich zum heutigen fossilen Energiesystem deutlich verändere. Bei Öl und Gas ist die Schweiz, abgesehen von Pflichtlagern, auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen. Lieferengpässe können sich sehr rasch auf die heimische Wirtschaft auswirken. Bei einer Versorgung mit erneuerbaren Energien hingegen kann die Schweiz den grössten Teil ihrer Energie selbst produzieren und ist primär beim Bau der Energieanlagen auf das Ausland angewiesen. Ein Lieferstopp beispielsweise bei Photovoltaik-Komponenten würde nur den Bau neuer und den Ersatz bestehender Anlagen betreffen und damit wenige Prozente der Anlagen.
Zudem hat die Schweiz ganz grundsätzlich viele Möglichkeiten, ihre Abhängigkeit von Importen kritischer Materialien zu reduzieren: Technologische Innovationen ermöglichen Produkte mit weniger seltenen Erden und fördern die Langlebigkeit. Soziale Innovationen fördern die Wiederverwendung, Reparatur und das Teilen von Produkten. Auch kann die Recyclingquote erhöht und das Recycling technologisch verbessert werden.
Selbst wenn die Schweiz und andere Länder eine solche Kreislaufwirtschaft voranbringen, wird die Förderung dieser für die Energiewende kritischen Metalle künftig wohl zunehmen. Vorkommen sind weltweit ausreichend vorhanden. Die heutige Knappheit hat eher mit geopolitischen Spannungen zu tun und mit der Tatsache, dass nur wenige Länder Abbau und Aufbereitung dominieren. In Industrieländern ist das Betreiben oder Eröffnen von Minen mit den oft gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt wenig akzeptiert. Die Forschenden empfehlen deshalb, dass sich die Schweiz international für hohe ökologische, soziale und gesundheitliche Standards im Bergbau engagiert, auch über ihren grossen Einfluss auf den Rohstoffhandel. Dies ermöglicht eine nachhaltige Energiewende und kann den Abbau der dafür nötigen Metalle in Europa fördern.
Download Bericht «Die Rolle kritischer Materialien für die Energiewende»
Urs Neu
Leiter Energiekommission der Akademien der Wissenschaften Schweiz
Stv. Leiter ProClim
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