Medienmitteilung
Akademien der Wissenschaften Schweiz a+
Neues Kernkraftwerk in der Schweiz frühestens 2050
Ein allfälliger Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz, wie er zurzeit diskutiert wird, hängt von vielen Faktoren ab. Auch bei einer Aufhebung des Neubauverbotes gäbe es noch zahlreiche weitere politische, technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Unsicherheiten, wie die Energiekommission der Akademien der Wissenschaften Schweiz in einem neuen Bericht darstellt.

Die Stromversorgung der Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Der Strombedarf steigt, angetrieben durch Elektromobilität, Wärmepumpen und Datenzentren. Gleichzeitig erfolgt über kurz oder lang die schrittweise Stilllegung der bestehenden Kernkraftwerke (KKW) und die Integration ins europäische Stromnetz ist derzeit ungewiss. In dieser Situation wird diskutiert, das geltende Neubauverbot für Kernkraftwerke in der Schweiz aufzuheben. Im Bericht «Perspektiven für die Kernenergie in der Schweiz» haben Forschende nun die Möglichkeiten und Herausforderungen für neue KKW analysiert.
Die Vorteile der Kernkraft sind klar: sie ist CO2-arm, benötigt wenig Raum und Material pro Kilowattstunde und liefert wetterunabhängig Strom, auch im Winter. Demgegenüber stehen schwere Unfälle, die sehr unwahrscheinlich sind, aber sehr grosse Schäden verursachen können – und die zahlreichen Unsicherheiten.
Viele Entscheide mit unsicherem Ausgang nötig
Auch bei einer Aufhebung des Neubauverbotes ist die Inbetriebnahme eines neuen KKW kaum vor etwa 2050 möglich. Vor dem Anschluss an das Stromnetz müssen diverse politische, administrative und wirtschaftliche Entscheide getroffen werden. Es ist mit mehreren Volksabstimmungen und auch mit Einsprachen zu rechnen. Die Mehrheiten sind aus heutiger Sicht unsicher und können sich aufgrund von Einzelereignissen wie Fukushima verändern.
Signifikante staatliche Unterstützung
Der Bau eines neuen KKW erfordert hohe Investitionen, welche über eine lange Zeit gebunden sind. Die Erlöse sind in einem weitgehend liberalisierten und künftig von erneuerbaren Energien dominierten Strommarkt unklar, insbesondere im Sommer. Angesichts der hohen finanziellen Risiken und politischen Unwägbarkeiten sei ein Neubau ohne signifikante staatliche Unterstützung unrealistisch, schreiben die Forschenden.
Ohne EU-Stromabkommen Reservekraftwerk nötig
Für einen ungeplanten Ausfall eines KKW braucht es im Stromnetz Reservekapazitäten in der Höhe der Leistung der grössten Anlage. Mit dem EU-Stromabkommen ist dieses Back-up durch die Einbindung in das europäische Stromnetz und dessen Reserveleistungen gegeben. Ohne EU-Strom-Abkommen dagegen müssen als Back-up nationale Reservekraftwerke im Inland bereitgestellt oder gebaut werden, mit entsprechenden Kostenfolgen. Dies gilt auch für die bestehenden KKW.
KKW der aktuellen Generation III/III+ im Vordergrund
Aktuell werden weltweit vor allem grosse KKW der Generation III/III+ gebaut. Sie sind sicherer als die bestehenden Anlagen. Einzelne kleine modulare Reaktoren der Generation-III/III+ könnten ab der ersten Hälfte der 2030er Jahre zur Verfügung stehen, müssen dann aber noch den Beweis der Wirtschaftlichkeit antreten. Bei Anlagen der Generation IV, die auf neuen Reaktordesigns basieren, gibt es noch grosse Unsicherheiten hinsichtlich Technologie und Wirtschaftlichkeit. Der Bericht fokussiert deshalb auf die heute verfügbaren grossen III/III+ Reaktoren.
Weitere Auskünfte erteilt:
Urs Neu
Leiter Erweiterte Energiekommission der Akademien der Wissenschaften Schweiz
urs.neu@scnat.ch
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