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Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften SATW

Thema Versorgungssicherheit: Wie gehen wir künftig mit Engpässen um?

Die Medien haben in letzter Zeit viel über die Lieferschwierigkeiten von Arznei- und Lebensmitteln, Rechnerchips und Plastik wie auch von Rohstoffen berichtet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Deindustrialisierung, der Transfer in Billiglohnländer, die Just-in-time-Produktion, kleine Lager, die Umstellung auf nachhaltige Ressourcen, die Pandemie, politische Unsicherheiten und vor allem das exponentielle Wachstum der Erdbevölkerung bei steigendem Lebensstandard für alle haben zu Engpässen in vielen Bereichen geführt. Erschwerend für die Schweiz kommt hinzu, dass sie ein kleines Land reich an armen Rohstoffvorkommen ist und deshalb in fast allen Sektoren Importprodukte aus dem Ausland bezieht. Diese Problematik wird andauern und die Planungssicherheit erschweren. Arzneimittelknappheit An der SATW-Retraite vom 18. März 2022 in Bern sprach Dr. Enea Martinelli, Chefapotheker der Spitäler fmi AG, über Heilmittel-Versorgungsstörungen. Die Verordnung über die Meldestelle Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWL ist fast ausschliesslich auf die Akutversorgung ausgerichtet.  Das hat Auswirkungen auf die Versorgung von chronisch kranken Patient:innen, die eine Dauertherapie benötigen, aber deren Therapeutika (z. B. Hormonersatztherapien, psychiatrische Medikamente, Antiepileptika, Parkinsonmedikamente) bisher nicht in die Verordnung aufgenommen wurden. Das hat spürbare Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten. Weitere Medikamentenengpässe sind hier vorhersehbar, wenn wir nicht reagieren. Das Kernproblem der betroffenen Medikamente und deren Zwischenprodukte ist, dass diese fast nur noch in Billiglohnländern hergestellt werden. Eine politische Initiative hat auf diesen Missstand reagiert und verlangt, die Produktion von wichtigen Medikamenten wieder zu repatriieren. Eine Empfehlung wäre die Dringlichkeit der Präparate als Basis zu nehmen. (a) Medikamente, die überall hergestellt werden können. (b) Medikamente, die in mehr als einem Land hergestellt werden müssen, um das Risiko zu mindern. (c) Medikamente, die zwingend in der Schweiz hergestellt werden müssten. Die gute Nachricht ist, dass in der Schweiz und unseren Nachbarländer neue Prozessmethoden und Technologien zur Verfügung stehen, die eine nachhaltige Rückführung möglich machen. Dazu aber braucht es entsprechende Planung. Nahrungsmittelversorgung Engpässe für bestimmte Grundnahrungsmittel haben mittlerweile die Lieferschwierigkeiten von Medikamenten aus den Medien verdrängt. Der landwirtschaftliche Selbstversorgungsgrad der Schweiz liegt zurzeit bei etwas über 50 Prozent. Dieser Prozentsatz könnte laut Bund auf fast 80 Prozent erhöht werden, setzt aber die Bereitschaft der Bevölkerung zu radikaler Veränderung von Ernährungsgewohnheiten voraus. Vor allem der Fleischanteil auf dem Speiseplan müsste drastisch reduziert werden. Obendrein wäre auch der beschränkte Konsum von Reis, Bier oder Teigwaren zwingend. Eine weitere wichtige Möglichkeit den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen besteht darin, die Lebensmittelverschwendung auf allen Stufen auf ein Minimum zu reduzieren. In der Schweiz werden pro Jahr und pro Person über 300 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen. Mit dem «Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung» möchte der Bund dieser negativen Tendenz Einhalt gebieten. Unabhängig von den aktuellen Problemen bleibt die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten wahrscheinlich eine der grössten Herausforderungen für die Schweiz. Denn es gibt zwei weitere elementare Grundlagen, fruchtbarer Boden und Phosphor, mit denen wir zu sorglos umgehen. Laut Bundesamt für Umwelt BAFU soll ab 2050 in der Schweiz kein Boden mehr verloren gehen. Ob dieses Ziel bei einem gegenwärtigen Bodenverbrauch von rund einem Quadratmeter pro Sekunde genügt? Ein weiterer gravierender Engpass für die Landwirtschaft der Zukunft ist die Versorgung mit Phosphor, für den es in der Landwirtschaft keine Alternative gibt, und dessen Preis sich in den letzten Jahren daher verfünffacht hat. Im Phosphat-Abbau wird ein Peak zwischen 2030 und 2040 erwartet, und die lokale Phosphat-Rückgewinnung wird zwingend notwendig werden. Die SATW hat als Grundlage für weitere Arbeiten im Rahmen der Initiative Food 4.0 eine Studie zur Identifizierung von relevanten, zukünftigen und technologischen Entwicklungsbereichen für das Schweizer Ernährungssystem publiziert. Not macht erfinderisch Die aktuelle Situation hat auch etwas Gutes. In der Vergangenheit kam es in der Schweiz immer wieder zu Lieferengpässen, die den Fortschritt beschleunigten. Heute stehen wir wiederum vor einer radikalen Wende: Wirtschaft und Landwirtschaft stehen unter grossem Druck, sich endlich in Kreisläufen zu gestalten, die Produktion soll nachhaltig werden und damit werden viele Geschäftsmodelle hinterfragt. Auch Konsumentinnen und Konsumenten leisten einen wichtigen Beitrag. Produkte sollen in Zukunft repariert anstatt weggeworfen werden. Deshalb hat die EU-Kommission im März entsprechende Pläne für haltbarere Produkte vorgestellt. Für alle Bereiche gilt dasselbe: es braucht zuverlässige Auslegeordnungen und standardisierte Kriterien für die Beurteilung, um möglichst wirkungsvoll "science friction" zu vermeiden. Ohne Zusammenarbeit und Abstimmung mit unseren Nachbarländern, respektive mit der ganzen EU, ist eine Versorgungsicherheit in der Schweiz nicht zu bewerkstelligen. Fühlen Sie sich angesprochen? Dann kontaktieren Sie uns bitte! Hans-Peter Meyer (Expertinova AG), SATW Mitglied, Co-Leiter Themenplattform «Biotechnologie»
  • Nationales Netzwerk für wissenschaftliche Beratung

    Medienmitteilung

    Ein nationales Netzwerk für wissenschaftliche Beratung zur Antizipation von Krisen und zur Unterstützung der Behörden

    Die Institutionen des BFI-Bereichs lancieren gemeinsam das nationale Netzwerk für wissenschaftliche Beratung. Sie setzen damit einen Entscheid des Bundesrates und die mit ihm getroffene Zusammenarbeitsvereinbarung um. Das Netzwerk hat den Auftrag, mögliche Krisen für die Schweiz zu antizipieren und den Behörden unabhängige und interdisziplinäre wissenschaftliche Analysen zur Verfügung zu stellen.

  • Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW

    News

    Prix Média 2025: Public Voting und Preisverleihung

    Wissenschaftsjournalismus soll verständlich, fundiert und relevant für die Gesellschaft sein. Mit dem Prix Média zeichnen die Akademien der Wissenschaften Schweiz (a+) herausragende Beiträge aus und fördern mit dem Prix Média Newcomer gezielt den journalistischen Nachwuchs. Alle Interessierten können beim Public Voting mitmachen und an der Preisverleihung teilnehmen.

  • Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW

    News

    Neue Richtlinien in Arbeit: Varianten der Geschlechtsentwicklung

    Wenn Personen sich aufgrund ihrer körperlichen Merkmale nicht eindeutig den Kategorien «männlich» und «weiblich» zuordnen lassen, wird von Varianten der Geschlechtsentwicklung gesprochen. Damit verbunden können sich komplexe medizin-ethische Fragen stellen. Die SAMW hat daher entschieden, Richtlinien als Hilfestellung für die Praxis zu erarbeiten, und dazu eine Subkommission eingesetzt.

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