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«Wir können schon im Kindergarten das Hebelgesetz erklären»

Als Mädchen hat sie sich beim Fussball gegen Jungs behauptet, als Physikstudentin war sie oft eine Exotin unter ihren männlichen Kommilitonen: Susanne Metzger. Sie plädiert dafür, Kinder spielerisch an naturwissenschaftliche Phänomene heranzuführen.

 

Autorin: Astrid Tomczak-Plewka

© Bildquelle: Annette Boutellier

Zahlenknobeleien, Probleme zu lösen – das hat mich schon immer interessiert. Da ist wohl mein Vater nicht ganz unschuldig, er war Physiker und hat mich dazu gebracht, schon im Kindergartenalter über negative Zahlen nachzudenken.

 

Meine Freundinnen im Kindergarten fanden mich dann schon etwas komisch, als ich ihnen erzählte, dass man auch mit negativen Zahlen rechnen könne. Obwohl mein Vater mich also an diese Welt herangeführt hat, wollte ich bis ins Jugendalter eines ganz bestimmt nicht werden: Physikerin. Ich habe aber später trotzdem Physik, Mathematik und Sport auf Lehramt studiert – damals mit der Idee, dass sich der Beruf der Lehrerin gut mit Familie und Kindern vereinbaren lässt.

 

In meiner Abschlussarbeit habe ich ein Lernprogramm für Lehrpersonen zu Thermodynamik und Statistischer Physik erstellt. In dieser Zeit war ich in einer Arbeitsgruppe für theoretische Festkörperphysik eingebunden, die sich vor allem mit Computersimulationen beschäftigt hat. Das fand ich sehr spannend, und als mir eine Doktoratsstelle angeboten wurde, habe ich sie angenommen. Gegen Ende der Promotion merkte ich aber: Nur immer der Computer und ich – das ist nicht meins. Ich war damals in Schulprojekten engagiert und stellte fest: Die Physikdidaktik wäre die ideale Verbindung zwischen Schule und Hochschule. Durch einen Kontakt an der ersten Weltphysikerinnentagung in Paris habe ich erste Personen aus der Physikdidaktik kennengelernt und letztendlich eine Postdocstelle an der TU Braunschweig angetreten. 2006 bin ich dann in die Schweiz gekommen.


Als ich studierte, lag der Frauenanteil in Physik bei rund acht Prozent. In Seminaren mit 25 oder 30 Studierenden war ich häufig die einzige Frau. Ich konnte also nicht gut in der Masse verschwinden. Da ich schon als Mädchen mit den Jungs Fussball gespielt hatte, war mir das nicht ganz fremd. Ich habe mich als Frau auch nicht diskriminiert gefühlt – wobei: Manche Vorbehalte gibt es dann doch. Ich erinnere mich noch gut an einen wohlgemeinten Rat, bei wichtigen Gesprächen keinen Rock oder hohe Schuhe anzuziehen und die Haare ja zusammenzubinden, also möglichst nicht als Frau in Erscheinung zu treten. Ich habe mir angewöhnt, «aus Protest» immer mal wieder genau das Gegenteil zu machen.


Um das Nachwuchsproblem bei den MINT-Fächern anzupacken, müssen wir schon im Kindergarten oder davor ansetzen. Dazu gehört es, Fragen zuzulassen und altersangepasste Inhalte zur Verfügung zu stellen. Man kann schon im Kindergarten das Hebelgesetz wunderbar anhand einer Wippe erklären. Ganz wichtig ist der Kontext, also Phänomene aus dem Alltag der Kinder in die Vermittlung einzubeziehen. Und: Man muss den Kindern und Jugendlichen Zeit geben, Phänomene erleben und verstehen zu können. Auch die Sprache ist sehr wichtig. Zentral ist eine verständliche, altersangemessene Sprache mit nur den Fachbegriffen, die nötig sind. Aber Texte müssen stets fachlich korrekt und anschlussfähig sein. Beispielsweise sollte nicht vom Energieverbrauch geschrieben werden, denn Energie wird nicht verbraucht, sondern in eine andere Energieform umgewandelt. Ich freue mich, dass ich als Vorsitzende der Fachkommission MINT nun auch auf dieser Ebene solche fachdidaktischen Erkenntnisse einbringen kann.

 

Was ich mit Wasser verbinde? Es eignet sich sehr gut für die Vermittlung naturwissenschaftlicher Phänomene mit alltagsnahen Kontexten, weil zum Beispiel die verschiedenen Aggregatzustände von Wasser, das Schwimmen und Sinken in Wasser oder Wasserenergie-Anlagen vielen Kindern und Jugendlichen sehr vertraut sind. Persönlich ist mir Wasser am liebsten in Form von Schnee, aber auch den Zürichsee mag ich sehr.

Dieser Artikel wurde im Jahresbericht 2021 der Akademien der Wissenschaften Schweiz veröffentlicht.

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