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Austausch und Verständnis als Schlüsselfaktoren

Regelmässige Austauschplattformen, ein Chief Scientific Officer in der Verwaltung, ein elektronischer Briefkasten für Forschende oder ein Wissenschaftsbudget für Parlamentsmitglieder: Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik haben viele Ideen, wie der Dialog zwischen den beiden Bereichen verstetigt und intensiviert werden könnte. Dies wurde an einer Podiumsdiskussion im Rahmen von «Science after Noon» der Akademien der Wissenschaften Schweiz und des Schweizerischen Wissenschaftsrats deutlich.

 

Autorin: Lisa Stalder

Es ist kein Geheimnis: Die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft läuft nicht immer reibungslos. Das wurde nicht erst während der Corona-Pandemie deutlich. Während von der Politik rasche Entscheide gefordert werden, braucht die Wissenschaft Zeit, bis sie Forschungsergebnisse präsentieren kann. Das kann zu Spannungen führen. Um solche künftig zu vermeiden, ist ein steter Dialog zwischen Politik und Wissenschaft unabdingbar. Welches sind die Voraussetzungen, damit dieser Dialog stattfinden kann? Welche Formate wünschen sich die verschiedenen Akteure und Akteurinnen? Diesen Fragen gingen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft an der Podiumsdiskussion zum Thema «Im Dialog für die Zukunft. Neue Ansätze im Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft» nach. Diese fand Mitte November 2022 im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Science after Noon» der Akademien der Wissenschaften Schweiz und des Schweizerischen Wissenschaftsrates statt. Geleitet wurde das Gespräch vom Präsidenten der Akademien, Marcel Tanner.

 

Es braucht ein klares Ziel

Zu Beginn fragte Marcel Tanner seine Gäste, wie es denn um den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft stehe und wo sie Handlungsbedarf sehen. Den Anfang machte Barbara Haering. Als ehemalige Nationalrätin und heutige Präsidentin des Conseil d’orientation stratégique der Universität Genf und Vizepräsidentin des ETH-Rats kennt sie sowohl den Parlamentsbetrieb wie auch die Abläufe an universitären Institutionen aus dem Effeff. Man müsse sich im Klaren sein, was das Ziel des Dialogs zwischen Politik und Wissenschaft sei. «Es braucht keine Kooperation um der Kooperation Willen.» Es gehe darum, gute politische Lösungen für die Bevölkerung zu finden. Dafür brauche es das Wissen und die Evidenz der Wissenschaft. Gleichzeitig könne sich die Wissenschaft von der Realität inspirieren lassen und daraus spannende Forschungsfragen ableiten. Damit sich Politik und Wissenschaft ergänzen könnten, brauche es auf beiden Seiten Verständnis für die unterschiedlichen Logiken und Handlungsweisen. Und Haering lieferte gleich einen möglichen Lösungsansatz: Ein Chief Scientific Officer in der Bundeskanzlei könnte als Schnittstelle dienen.

 

Falsche Erwartungen als Hindernis

«Die Politik kann nicht alles, und die Wissenschaft weiss nicht alles», sagte Heinz Rhyn, Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich und Vizepräsident von swissuniversities. Dass der Dialog zwischen Politik und Wissenschaft bisher nicht wie gewünscht in die Gänge gekommen sei, hänge damit zusammen, dass die Politik nicht angemessene Erwartungen an die Wissenschaft habe und umgekehrt. Dies führe dazu, dass vonseiten der Wissenschaft die Frage aufgeworfen werde, warum die Politik trotz klarer Faktenlage nicht entsprechend handle. Und die Politik erwarte von der Wissenschaft klare Antworten, die diese nicht immer geben könne. «Solange nicht klar ist, was man voneinander erwarten darf, bleibt der Dialog schwierig.»

 

Diesen Schwierigkeiten begegnet auch Katrin Milzow, Abteilungsleiterin Strategie beim Schweizerischer Nationalfonds SNF, bei ihrer täglichen Arbeit: «Forschende und Politikerinnen und Politiker arbeiten oft in unterschiedlichen Welten, haben andere Erwartungen, eine andere Motivation und andere Zeithorizonte.» Um das Vertrauen ineinander zu stärken und den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft «zur Normalität» zu machen, plädiert Milzow unter anderem dafür, Plattformen für den kontinuierlichen Austausch zu schaffen. Solche erlaubten es den verschiedenen Stakeholdern, gemeinsame Interessen zu identifizieren und Beziehungen zu knüpfen.

 

Ein Briefkasten für die Wissenschaft

«Mehr Flexibilität, damit wir in der Krise bereit sind», forderte Sabine Süsstrunk, Präsidentin des Schweizerischen Wissenschaftsrats SWR und Professorin an der EPF Lausanne. Es gebe kein Konzept, das sich auf alle Situationen anwenden lasse. Deshalb sei es auch nicht sinnvoll, neue Gremien zu schaffen. Vielmehr müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass sie es erlaubten, kurzfristig zu handeln – «damit zum Beispiel ein Cyber-Security-Zar ernannt werden kann». Barbara Haerings Vorschlag, einen Chief Scientific Officer zu installieren, lehnt die SWR-Präsidentin hingegen ab. Ihre Befürchtung: Dieser würde im schweizerischen Milizsystem nur angegriffen. Um den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft zu stärken, schlägt Süsstrunk zudem vor, im Parlament einen elektronischen Briefkasten einzurichten, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Anliegen deponieren könnten. 

 

Eine einende Moderation nötig

Silvia Maier, Neuroökonomin und Co-Sprecherin des Projekts «Who Gets Heard» der Jungen Akademie Schweiz, sieht in den von Katrin Milzow genannten Austauschplattformen ein grosses Potenzial. Es sei wichtig, dass die richtigen Personen zusammenkämen, um offene Fragen zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Es brauche aber unbedingt eine Moderation: Damit werde der Dialog erleichtert, ohne dass eine Richtung vorgegeben werde.

 

Der Zuger Ständerat Matthias Michel, der Einzige in der Runde, der zurzeit ein politisches Mandat innehat, nahm Sabine Süsstrunks Idee eines Briefkastens auf. Er wünsche sich seinerseits einen Single Point of Contact, also eine einzige Anlaufstelle, an die er mit seinen wissenschaftlichen Fragen gelangen könne. Dieser Kontaktpunkt könnte zum Beispiel bei den Akademien der Wissenschaften oder beim Schweizerischen Wissenschaftsrat angesiedelt sein. «Ich melde mich dort, und dann wird geschaut, wer mich beraten kann.» Weiter schlägt er vor, dass Parlamentsmitgliedern pro Jahr ein gewisser Betrag zur Verfügung stehen sollte – ein «Wissenschaftsbon» –, um sich gezielt wissenschaftliche Expertisen erstellen zu lassen.

 

Gemeinsam, statt jeder für sich

Während die von Matthias Michel gewünschte Anlaufstelle von der Runde mit einer gewissen Skepsis aufgenommen wurde, stiess eine Idee, die Katrin Milzow im Laufe der Diskussion einbrachte, auf viel Wohlwollen. Sie verwies auf Programme, die bereits in Luxemburg und Grossbritannien angewendet werden: Forschende erhielten dort die Möglichkeit, Einblick in die Arbeit des Parlaments und der Verwaltung zu erhalten. Umgekehrt verbringen Politikerinnen und Politiker einen Tag in einer Forschungsstätte. Ihr gefalle an diesem Konzept, dass es «ans Lernen anknüpft», sagte Silvia Maier. Es sei ein Lernprozess, der es den Beteiligten erlaube, sich stetig weiterzuentwickeln. Ihm als Politiker würde eine solches Tandem-System zusagen, sagte Ständerat Michel, «es ist eine Art personalisierter Single Point of Contact». Auf die Frage von Gesprächsleiter Marcel Tanner, ob auch andere Parlamentsmitglieder so viel Enthusiasmus an den Tag legten wie er, antwortete Matthias Michel: Im Moment seien es noch nicht viele, aber das dürfte sich ändern, sobald ein entsprechendes Angebot vorliege. «Aber jemand muss dieses Angebot machen.» Tanner nahm diese Aufforderung gerne entgegen.

 

Es sei ein schöner Strauss an Ideen und Optionen zusammengekommen, konstatierte Marcel Tanner am Ende des Gesprächs. Bis konkrete Lösungsvorschläge vorlägen, sei aber noch etwas Arbeit nötig. Wichtig sei, dass die Politik und die Wissenschaft diese Aufgabe gemeinsam angingen, «und nicht beide Seiten in der stillen Ecke etwas ausbrüten».

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