Stellungnahme
Akademien der Wissenschaften Schweiz a+
Offener Brief der Akademien der Wissenschaften Schweiz zu den geplanten Programmanpassungen im SRF

Offener Brief der Akademien der Wissenschaften Schweiz zu den geplanten Programmanpassungen im SRF
Sehr geehrte Damen und Herren der Geschäftsleitung von SRF und SRG
Die Ausgestaltung des Auftrags von SRF unterliegt einem kontinuierlichen politischen Aushandlungsprozess, der insbesondere die Auswirkungen von Programmänderungen auf Demokratie und Gesellschaft im Blick behalten muss, aber auch finanzielle Abhängigkeiten hat. Mit Besorgnis nehmen wir die weitreichenden Änderungen im Programm im Bereich Kultur und Wissenschaft zur Kenntnis, die von der Geschäftsleitung am 6. Februar 2025 angekündigt wurden. Insbesondere die Streichung des Wissenschaftsmagazins auf SRF2 Kultur und SRF News sowie die Reduzierung der Wissenschaftsredaktion von Radio SRF beunruhigen die in den Akademien der Wissenschaften Schweiz engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zutiefst. Im Namen der Akademien der Wissenschaften Schweiz fordern wir Sie auf, von diesen Entscheidungen abzusehen, und zwar aus folgenden Gründen:
Komplexität und Demokratie erfordern einen verlässlichen Rahmen
Unser Land steht vor zahlreichen Herausforderungen, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Wir leben in einer komplexen Welt, die von Wissenschaft und Technologie geprägt ist. Entscheidungen über deren Anwendung spielen eine zentrale Rolle für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Eine fundierte kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen sowie eine unabhängige Information der Schweizer Bevölkerung sind daher von grösster Bedeutung – umso mehr in der Schweiz, wo Bürgerinnen und Bürger regelmässig über forschungs- und technologiebezogene Themen abstimmen.
Eine exzellente Wissenschaftsredaktion
Wissenschafts- und Technologie-Themen sind selten eindimensional und benötigen eine tiefgehende Behandlung. Die Wissenschaftsredaktion des Schweizer Radios erfüllt diese Aufgabe in vorbildlicher Weise mit ihrem Wissenschaftsmagazin, das nicht nur Naturwissenschaften, Gesundheit und Technik behandelt, sondern auch wirtschaftliche, soziologische und psychologische Entwicklungen und gesellschaftsrelevante Bildungs- und Forschungsdebatten aufgreift.
Diese gleichen Inhalte bietet die Wissenschaftsredaktion auch in kürzeren Formaten wie dem Echo der Zeit, dem Rendezvous (am Mittag) und HeuteMorgen an. In diesen tagesaktuellen Sendungen hat sie zum Beispiel während der Corona-Pandemie hervorragende Arbeit geleistet und einer breiten Hörerschaft verlässliche Informationen und Erklärungen geliefert. Werden in der Wissenschaftsredaktion Stellenprozente eingespart, fehlt durch das Wegfallen von themenkompetenten Journalistinnen und Journalisten das Herzstück für eine Vielzahl von Formaten, die heute nicht in Frage stehen.
Auch junge Menschen konsumieren lange Formate
Wir verstehen, dass die SRG und SRF ihre digitale Transformation weiter vorantreiben und ein jüngeres Publikum ansprechen möchten. Uns sind auch die finanziellen Zwänge bewusst, unter denen Ihr Unternehmen steht. Wir wissen, dass dies insbesondere im Bereich wissenschaftlicher Inhalte eine Herausforderung darstellt. Darauf haben wir bereits in unserem 2021 veröffentlichten Bericht «The State of Science Communication and Public Engagement in Switzerland» hingewiesen. Allerdings erscheint uns das Argument, dass ausschliesslich Kurzformate junge Menschen ansprechen, zu kurz gegriffen. Gerade junge Leute konsumieren immer wieder Podcasts in beträchtlicher Länge, wie Befragungen wie das Wissenschaftsbarometer regelmässig zeigen.[1]
Wissenschaftsjournalismus ist Service Public
Während viele privaten Medien ihre Wissenschaftsredaktionen mit anderen Ressorts zusammenlegen und verkleinern, ist eine gut ausgestattete Wissenschaftsredaktion beim SRF wichtiger denn je, denn Dossierkompetenz kommt allen Redaktionen und Formaten zugute. Die Wissenschaftsredaktion vom SRF erfüllt aus unserer Sicht geradezu exemplarisch den Kernauftrag von SRF, nämlich in Form von Information, Bildung und Unterhaltung einen guten Service Public zu liefern. Dies gilt umso mehr in Bereichen, aus denen sich private Medien zunehmend aus Kostengründen zurückziehen. Zudem hat auch die Wissenschaft selbst ein grosses Interesse an einer unabhängigen, kritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen durch die Medien als gesellschaftsprägende Instanz und mögliches Korrektiv.
Öffentlich-rechtliche Medien stärken statt schwächen
In Zeiten von Fake News und zunehmend ausgefeilten Desinformationskampagnen sind verlässliche Informationsquellen von zentraler Bedeutung. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz sind der Ansicht, dass die anstehenden Budgetkürzungen bei Radio und Fernsehen die Fähigkeit unserer Gesellschaft schwächen werden, aktuelle Herausforderungen mit einer fundierten und vielfältigen Informationsbasis zu bewältigen. Dies betrifft auch die vorgeschlagene Kürzung des Auslandangebots der SRG, die Teil des sogenannten Entlastungspakets des Bundesrats ist. Diese Kürzung würde neben anderen diesenschaftssendung nano oder Swissinfo betreffen. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz führen auf Basis ihres gesetzlichen Mandats einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Starke, gut ausgestattete Medien mit kritischer Recherche sind ein wesentlicher Bestandteil dieses Dialogs.
Aus all diesen Gründen bitten wir Sie dringend, Ihre Programmänderungen insbesondere im Wissenschaftsbereich zurückzunehmen und Wege zu finden, die Ihrem Auftrag im Bereich Wissens- und Wissenschaftsvermittlung im Rahmen des Service Public gerecht werden.
Wir möchten gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen, um konstruktive Lösungen zu diskutieren, mit denen die Wissenschaft in Zukunft weiterhin zu einem guten Wissenschaftsjournalismus in der Schweiz beitragen kann. Bitte zögern Sie nicht, dafür mit uns in Kontakt zu treten.
Freundliche Grüsse
Yves Flückiger, Präsident a+
Thomas Müller, Jurymitglied Prix Média
Peter Bieri, Vizepräsident a+
Marianne Bonvin, Geschäftsführerin a+
[1] Wissenschaftsbarometer 2023, Tabellenband, https://wissenschaft-im-dialog.de/documents/48/WiD_Wissenschaftsbarometer2023_Tabellenband_final.pdf, S. 91. Dabei gab zirka ein Drittel der Befragten an, Podcasts für wissenschaftliche Themen zumindest gelegentlich zu nutzen. Bei den 14- bis 29-Jährigen war es sogar fast die Hälfte.