Balzan Preis 2023

Rückblick: Interdisziplinäres Forum der Balzan Preisträger 2023

Am 16. November fand das Interdisziplinäre Forum der Balzan Preisträger 2023 statt. Zahlreiche Gäste waren in Bern anwesend, als die vier Preisträger ihre wissenschaftlichen Tätigkeiten präsentierten, für die sie mit dem Balzan Preis 2023 prämiert wurden. Am Vormittag referierten Eske Willerslev und Jean-Jacques Hublin zur Evolution der Menschheit, Willerslev zu antiker DNA und Evolution der Menschheit und Hublin zu Paläoanthropologie. Am Nachmittag standen die Themen Weltliteratur – wofür David Damrosch ausgezeichnet wurde – und hochauflösende Bilder von planetarischen Körpern bis zu kosmischen Objekten, präsentiert von Heino Falcke, im Fokus. Eine Aufnahme der gesamten Veranstaltung kann online angeschaut werden.

Fotos: Kassem Belkalem

Die Balzan Preisträger 2023

Der literarische Globetrotter

Er arbeite «vor allem zur Literatur aus den Jahren 2000 bis 2015», sagt David Damrosch über sich selbst. Wobei sich das «2000» auf 2000 vor Christus bezieht. Gilgamesch-Epos, hebräische Bibel, Visionen belgischer Nonnen aus dem Mittelalter, aztekische Prosa, aber auch Kafka oder der chinesische intellektuelle Hu Shi – David Damroschs literarisches Interesse kennt praktisch keine zeitlichen, sprachlichen oder kulturellen Grenzen. Der Ernest Bernbaum Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Harvard University hat 2010 das «Institute for World Literature» gegründet und wird dieses Jahr mit dem Balzan Preis für Weltliteratur ausgezeichnet. Die Preiskommission würdigt damit «seinen kreativen Ansatz, Weltliteratur als transnationale Zirkulation von Werken zu verstehen, die deshalb lebendig bleiben, weil sie jenseits ihrer Herkunftskultur aufgenommen und verändert werden.» Ausserdem anerkennt sie Damroschs «stupende Kenntnis westlicher und nicht-westlicher Literaturen in ihrer ganzen geographischen Breite und historischen Tiefe.»

Er macht die Schwarzen Löcher sichtbar

2019 an einer Medienkonferenz war es so weit: Heino Falcke enthüllt das erste Bild eines Schwarzen Lochs. Der Astronom von der Radboud Universität Nijmegen (Niederlande) und dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn wird in diesem Jahr mit dem Balzan Preis «für hochauflösende Bilder von planetarischen bis zu kosmischen Objekten» ausgezeichnet. Damit würdigt die Stiftung seine «grundlegenden Forschungsarbeiten, die es ermöglicht haben, die Umgebung eines Schwarzen Lochs mit hoher Präzision darzustellen, dank seiner führenden Rolle bei der Entwicklung des ‹Event Horizon Telescope›.» Dieses Teleskop liefert die bisher genauesten Bilder dieser Himmelskörper, wie die Jury hervorhebt, und zwar «in unserer eigenen Galaxie, der Milchstrasse, aber auch in weit entfernten Galaxien wie in der sogenannten M87. Damit konnte Einsteins allgemeine Relativitätstheorie in Situationen bestätigt werden, in denen die Schwerkraft so stark ist, dass die Raum-Zeit-Beziehung erheblich gekrümmt ist.»

Der Menschenkenner

Vor ein paar Jahren entdeckten er und sein Team in Marokko die ältesten Fossile moderner Menschen und konnten damit zeigen, dass es den homo sapiens schon 100’000 Jahre früher gab als bislang gedacht: Der Franzose Jean-Jacques Hublin hat sich intensiv mit der menschlichen Spezies auseinandergesetzt. Der diesjährige Balzan Preisträger für die menschliche Evolution: Pälaoanthropolgie ist gemeinsam mit dem letztjährigen Nobelpreisträger für Medizin, Svante Pääbo, Gründungsdirektor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig. Hublin wird ausgezeichnet «für seine wichtigen Feldfunde, insbesondere die Entdeckung des ältesten Homo sapiens in Afrika; für seine Fähigkeit, aus Spitzentechnologien gewonnene Daten zu synthetisieren.» Ausserdem würdigt die Stiftung Balzan «sein Talent, wissenschaftliche Arbeitsgruppen zu organisieren, insbesondere als Leiter des Max-Planck-Instituts in Leipzig und seine Qualitäten als Lehrender und Wissenschaftsvermittler.»

Der Zeitreisende

Wie sah Grönland vor 2 Millionen Jahren aus? Die Antwort lieferte im Dezember 2022 ein Forschungsteam um Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen. Der dänische Evolutionsgenetiker konnte dank modernster Technologie zeigen, dass Grönland seinen Namen zu Recht trägt – weil es nämlich einst eine grüne Insel voller Leben war. Willerslev erhält den diesjährigen Balzan Preis für die menschliche Evolution: antike DNA und die menschliche Evolution «für seine Studien zur menschlichen DNA mit einer evolutionären Perspektive, die sich auf die Mobilität von Populationen und Migrationen konzentriert und damit in hohem Masse dazu beiträgt, unser Verständnis der Geschichte der Menschheit zu verändern.» Die Preiskommission würdigt Willerslevs «Vorreiterrolle bei der Verwendung antiker DNA (aus Zähnen) zur Identifizierung menschlicher Krankheitserreger und für die Gewinnung von DNA direkt aus Umweltproben, wodurch ein neues wissenschaftliches Feld eröffnet wurde.»

Sie kümmern sich um Kinder

Der diesjährige Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern geht an die Stiftung Francesca Rava (Italien). Sie wurde im Jahr 2000 von Francesca Ravas Schwester gegründet, nachdem Francesca tödlich verunfallt war. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, notleidende Kinder in Italien und weltweit durch Hilfsprojekte, Patenschaften und Bildungsprogramme zu unterstützen. Die Stiftung arbeitet eng mit der Organisation Nuestros Pequenos Hermanos zusammen, einer Wohltätigkeitsorganisation für Waisen und vernachlässigte Kinder in Lateinamerika. Die Stiftung Balzan würdigt mit dem Preis «das Engagement der Fondazione Francesca Rava «bei Nothilfemassnahmen nach humanitären und ökologischen Katastrophen in Italien und in Lateinamerika sowie für ihre konkreten Initiativen zugunsten von Kindern in Lateinamerika zur Bekämpfung von Bildungsnot und Nahrungsmittelknappheit.»